13. Mai 2019

Nach einem gemeinsamen Frühstück mit der  netten Betreiberin des B&B ging es bei Nieselregen los. Zuerst musste ich noch einen Kilometer zurück laufen, da der Fußweg zur Brücke über den Po mit einem Gitter versperrt war. Auf der anderen Seite des Po ging es dann auf dem Damm entlang bis kurz vor Ferrara. Obwohl es heute auch wieder regnete, war es angenehmer als gestern, da es windstill war. 

Wegen fehlender Rastmöglichkeiten lief ich 22 km bis Ferrara durch. Dort leistete ich mir ein Mittagsmenü mit drei Gängen. Einschließlich Wasser, ein Viertel Wein und Kaffee für insgesamt 13 €. Da könnten sich die deutschen Gastwirte mal ein Beispiel nehmen.

Anschließend ging ich noch 5 km aus der Stadt hinaus zum gebuchten Hotel. Damit hab ich gleich zwei Vorteile erreicht. 

1. Ich habe die laute Stadt hinter mir.

2. Ich habe morgen einen kürzeren Weg vor mir. Ich kann morgen, mit ein paar Abkürzungen, eine Etappe weiter gehen als geplant. Ich hätte sonst die Wahl gehabt, nur 16 km an einen Tag zu gehen, oder 44 km. Beides nicht befriedigend.

Durch meine neue Planung habe ich morgen ca. 35 km vor mir und einen Tag gespart. Diesen Tag kann ich später vielleicht noch brauchen, denn nächste Woche geht der Apennin mit Höhen bis zu 1.200 m an.

Auf dem Damm des Po.

Ferrara ist erreicht. Die alten Stadtmauern.

Das Castello Estense. Von den Herzögen d'Este im 15. Jahrhundert zum Schutz vor dem eigenen Volk errichtet.

14. Mai 2019

Da es heute schon ab 7:00 Frühstück gab, konnte ich eher als sonst starten. Ausnahmsweise regnete es heute nicht, es war nur bewölkt. Erst am Nachmittag ließ sich die Sonne blicken. Trotzdem hatte es heute nur maximal 16 Grad.

Die Strecke heute war sehr abwechslungsreich. Kleine Gehöfte, Felder, Kanäle und kleine Orte wechselten sich ab.

Ich ging 15 km bis Marrara durch und verließ dann die Via Romea. Auf vorher ausgesuchten Straßen ging ich dann zu meinem Etappenziel Argenta. Zwar musste ich fast ausschließlich auf Straßen laufen, aber wenn ich dadurch ca. 10 km abkürzen kann, nehme ich das gerne in Kauf.

Nach 34 km erreichte ich mein gebuchtes B&B in einem alten Herrenhaus mit alter, sehr netter Dame.

In meinem Zimmer sah man sich um 100 Jahre zurück versetzt. Leider hatte es das gleiche Manko wie die meisten Zimmer in Italien, die ich bisher hatte. Die Zimmer haben einen Steinfußboden und die Fensterläden bzw Rollos sind geschlossen. Das mag im Sommer bei 35 Grad im Schatten sehr sinnvoll sein, jetzt bei Temperaturen um die 15 Grad sicher nicht. Wenn man ins Zimmer kommt, dann könnte man meinen man betritt einen Kühlschrank. Und es bleibt auch so kalt im Zimmer. 

Gott sei Dank hat die nette alte Dame im EG den Holzofen angeschürt und die Wärme zieht etwas in mein Zimmer.

 

Seit einigen Tagen verlaufen die Via Romea und der St. Antonius Pilgerweg auf der gleichen Strecke. Heute trennen sich die Wege. Der St. Antonius Weg geht nach Bologna und die Via Romea nach Ravenna..

Solche Traumwege hatte ich bisher selten. Mein bisheriger Weg verlief auf über 90% auf Asphalt oder Schotter.

Mein Zimmer heute. Die paar Sonnenstrahlen durchs geöffnete Fenster brachten nicht viel Wärme.

15. Mai 2019

Die nette B&B Betreiberin hatte ein sehr gutes Frühstück vorbereitet. Es waren noch zwei Gäste aus Portugal da. Sind aber keine Pilger, meinte die alte Dame und klopfte mir anerkennend auf die Schulter.

Zur Abwechslung regnete es heute mal wieder und es war nur um die 12 Grad warm. Ich dachte  ich noch: "Zumindest geht kein Wind", da begann es schon von der Seite zu wehen. :((

Der Weg heute ging immer auf einem Damm des Flusses Reno entlang und war etwas eintönig. Nach 28 km erreichte ich mein Ziel.

Der Fluß führt auch Hochwasser wie die meisten hier in der Region. Die Nachrichten gestern waren voller Meldungen von Überschwemmungen und Erdrutschen in der Gegend von Ravenna und Forli. In diese Gegend komme ich übermorgen. Hoffentlich ist mein weiterer Weg nicht gefährdet.

Unterkunft fand ich in einem Agriturismo direkt am Naturschutzgebiet Valli di Commachio, einer Lagune, die auch ein UNESCO Welterbe ist. Agriturismo sind Bauernhöfe, die auch Übernachtungen anbieten. Heute Abend bekomme ich sogar noch ein komplettes Menü. 

In 18 km Entfernung ist die Adria. Morgen würde mich die Via Romea dort hin führen. Da ich aber nur um das Meer zu sehen einen 25 km längeren Weg hätte, werde ich wieder abkürzen und auf direktem Weg nach Ravenna gehen.

 

 

Auch der Reno führte Hochwasser.

So sah mein Weg heute die meiste Zeit aus.

In der Gegend gibt es viele verlassene und verfallene Gehöfte. Die Besitzer dieses Gebäudes gehörten sicher nicht zur Unterschicht.

Die Ortschaft Anita. Benannt nach der in Brasilien geborenen Frau des italienischen Freiheitskämpfers  und Nationalhelden Giuseppe Garibaldi. Anita Garibaldi war selbst als Freiheitskämpferin aktiv und verstarb hier 1849 im Alter von 28 Jahren auf der Flucht vor österreichischen Truppen an Malaria. Sie war schwanger.

16. Mai 2019

Gestern beim Abendessen traf ich die erste Pilgerin, die auch nach Rom unterwegs ist. Milena ist eine kleine, zierliche Italienerin, die am 27. April am Brenner gestartet ist. Wir saßen zusammen und konnten während des Essens Erfahrungen austauschen. Da sie kein Englisch sprach musste ich meine Italienischkenntnisse zum Besten geben.

Nach einem guten Essen und einen halben Liter Wein konnte ich gut schlafen.

Als ich morgens aus dem Fenster sah schien die Sonne. Es hätte ein schöner Tag werden können, wenn .....

Ja wenn nicht durch das Hochwasser die Fähre über den Reno den Betrieb eingestellt hätte. So war ich gezwungen 8 km zur einzigen Brücke weit und breit zurück zu laufen. 

Wegen der Planungssicherheit (typisch Beamter!) habe ich immer mindestens eine Übernachtung vorgebucht. Das wurde mir nun zum Verhängnis, denn wollte ich mein bereits gebuchtes Hotel in Ravenna erreichen, so hätte ich weitere 20 km auf viel befahrenen Straßen laufen müssen. Das war mir dann doch zuviel und ich fuhr die letzten Kilometer mit dem Zug.

So erreichte ich Ravenna schon am Mittag.

Ein halber Ruhetag ist vor den anstehenden, schwierigen Etappen des Apennin auch nicht schlecht. Außerdem mußte ich noch wichtige Einkäufe erledigen. Da in den nächsten Tagen wieder Regen angesagt ist brauche ich dringend Imprägnierungsspray, denn meine Jacke und auch die Schuhe sind nicht mehr wasserdicht. Neue Trekking-Socken brauche ich auch noch.

In einem kleinen Geschäft wurde ich fündig und der nette Besitzer gab mir sogar noch 20% Rabatt.

Die einzige Möglichkeit momentan den Fluß Reno zu überqueren im Umkreis von ca. 20 km.

Ravenna ist erreicht, wenn auch nicht wie geplant.

Das Mausoleum des Thoederich. Der König der Ostgoten hatte Italien erobert und hatte in Ravenna über 30 Jahre lang seine Residenz.  Nach seinem Tod 526 n. Cr. zerfiel das Reich.

17. Mai 2019

Bei Sonnenschein und Temperaturen um die 15 Grad ging es heute 32 km nach Forli. Der Weg an sich war nicht berauschend. Auf der einen Seite der Fluß Ronco und auf der anderen Seite Obstplantagen. 

Da es nicht viel zu sehen gab, machte ich mir so meine Gedanken über alles mögliche, unter anderem über mein Gastgeberland Italien. Da ich nun schon einige Zeit in Italien bin ist es Zeit mit einigen Vorurteilen aufzuräumen. Zum  Beispiel Verkehr: Im großen und ganzen halten sich die Italiener an die Verkehrsregeln und als Fußgänger ist man auf Zebrastreifen sicher.

Telefonieren: Es stimmt nicht, dass sie in ihr Handy verliebt sind. Nein sie kommen schon mit dem Handy an der Hand zur Welt. Von den Schülern bis zur alten Oma sieht man sie den ganzen Tag telefonieren. Und das bei allen Gelegenheiten. Im Restaurant, beim Gehen, Fahrradfahren oder beim Autofahren. Männer im mittleren Alter finden es cool mit einem Knopf im Ohr und einer Freisprecheinrichtung zu telefonieren. Wenn man jetzt einen Mann auf der Straße laut schreiend und wild herum gestikulierend sieht, dann leidet er nicht an Tourret, sondern diskutiert mit einem Freund über Fußball.

Küche: Das Essen ist gut, nur der Service schlecht. Was eine gestandene bayerische Bedienung alleine schafft, machen die Italiener mindestens zu fünft. Wenn man es dann nach 15 Minuten geschafft hat etwas zu bestellen, kann man sich glücklich schätzen.

Ansonsten habe ich bisher nur nette und vor allem sehr hilfsbereite und gastfreundliche Menschen getroffen.

Ich hoffe morgen wieder mehr über den Weg, als über meine Gedanken berichten zu können. ;))

Nicht nur in Pisa gibt es einen schiefen Turm.

18. Mai 2019

Heute ging es die letzte flache Etappe 28 km nach Cusercoli. Ab morgen kommen dann drei schwere Bergetappen und bis Rom hören die Berge ab jetzt auch nicht mehr auf.

Die heutige Etappe wird in den Wegbeschreibungen als landschaftlich besonders reizvoll bezeichnet. Für mich war es die schrecklichste von allen bisherigen. Heute verlief alles nach dem Motto: Ich dankte dem Herrn, denn es hätte auch schlimmer kommen können und es kam schlimmer.

Als ich das Hotel verließ regnete es leicht. Aus der Stadt draußen ging es auf einem schönen Pfad dahin. Anfangs war ich froh mal nicht auf Asphalt laufen zu müssen, doch dann ging es los. Durch das Hochwasser in den letzten Tagen wurde auch der Weg überspült und an manchen Stellen ging ich durch knöchelhohen Schlamm. Plötzlich ging es gar nicht mehr weiter (s. Bild) und ich musste mich mühsam durch Büsche und Schlammgräben weiter kämpfen. Als die Wege endlich etwas besser wurden, ging der Weg durch eine Wiese mit hüfthohem, nassen Gras. Das hatte zwar den Vorteil, dass die Schuhe wieder einigermaßen sauber wurden, dafür war ich jetzt von den Zehen bis zur Hüfte tropfnass.

Da die gekaufte Imprägnierung von der Firma mit den Wolfspfoten nur den Herstellern zum Geldverdienen nützt, jedoch nicht gegen Nässe, waren auch die Schuhe samt Socken naß. Und nasse Füße bekommen gerne Blasen. Heute bin ich davon nochmal verschont geblieben.

Später kam dann sogar ab und zu die Sonne raus und meine Kleidung trochnete langsam. Doch es kam wie es kommen musste. 3 km vor dem Ziel nochmals ein Platzregen und Wege wie auf dem Bild brachten mich fast zur Verzweiflung.

Völlig durchnässt und schmutzig erreichte ich die von Freiwilligen betreute Herberge in der ehemaligen Festung. Es ist meine erste richtige Pilgerherberge auf dem Weg nach Rom.

Da es auch in den nächsten Tagen regnen soll, bin ich gespannt was die nächsten Etappen in den Bergen alles für mich bringen werden. Jetzt muss ich erst mal schauen dass ich meine Schuhe trocken bringe.

So wäre es ja gerade noch gegangen.

Aber es ging so weiter. Ich habe mich links irgendwie durchgekämpft.

Von einer Brücke aus konnte man die Ausmaße des Hochwassers erkennen.

Das Ziel ist erreicht. Im Vordergrund das viele Regenwasser und im Hintergrund die Festung mit Herberge, in der ich übernachte.

19. Mai 2019

Die 21 km heute nach Santa Sofia wären laut Wegbeschreibungen wieder viel an Bächen entlang und über Felder gegangen, darum habe ich mich entschieden auf der Straße zu laufen. Ist zwar nicht der Hit, aber da Sonntag war ging es wegen der fehlenden LKW einigermaßen. Besser als verschlammte Wege allemal. Mein Bedarf an Schlammpackungen ist vorerst gedeckt.

Heute regnete es nur leicht, aber als ich in meinem gebuchten Agriturismo angekommen war, ging der Platzregen an, der bis in die Nacht hinein andauerte.

Santa Sofia ist erreicht.

Seit ein paar Tagen sieht man überall Tafeln und Aufkleber der Via Romea, so wie auch hier im Ortsschild.

Für Pilger bringen sie allerdings nicht viel. Es wäre sinnvoller die Organisation würde sich besser um die Wege kümmern. Für Überschwemmungen können sie nichts, aber Wege durch hüfthohes, nasses Gras sind keine Werbung für die Via Romea. Eine halbe Stunde mit der Motorsense würde mehr bringen als Hochglanzschilder.

Santa Sofia, eine schöne Stadt.

Heute ist große Wäsche angesagt.

20. Mai 2019

In der Wegbeschreibung meines Pilgerführers und in Reiseberichten anderer Pilger (z.B. Lauras Blog und Pauls Walk trough Europe) waren über die heutigen 24 km nach Bagno di Romano unter anderem folgende Sätze zu lesen: " .. durchwaten wir den Bach .... folgen wir den Wegzeichen durch die Wiese ... Standen wir plötzlich mitten im Getreidefeld ... usw". Nach den gestrigen Regenfällen würde das bedeuten, dass ich spätestens nach 5 km tropfnass und voller Schlamm wäre. Also blieb ich lieber auf der Straße. Dadurch hatte ich eine etwas längere Strecke, aber nach den Erfahrungen der letzten Tage nahm ich das gerne in Kauf.

Nach 10 km hatte ich etwa 400 m Aufstieg gemeistert und wollte die folgende Strecke wieder auf der Via Romea zurück legen. Bereits nach wenigen Minuten verwandelte sich der Weg in ein erneutes Fiasko. An den Schuhen schleppte ich pfundweise Schlammklumpen mit und kam nur im Schneckentempo voran. Als ich endlich wieder die Straße erreicht hatte, beschloss ich auf dieser bis zum Ziel zu bleiben. Mir entgingen dadurch wahrscheinlich landschaftlich schöne Wege, aber alles was ich vor der morgigen schweren Bergetappe nicht brauchen kann, sind  nasse Schuhe.

Ansonsten war es heute ein wunderbarer Tag. Die Sonne schien und ich hatte eine grandiose Weitsicht auf die Berge des Apennin. Erst als ich mein Ziel erreicht hatte begann es wieder zu regnen.

 Blick zurück auf Santa Sofia.

Zurück auf dem Originalweg. Fango bedeutet auf Deutsch: Schlamm. ;))

Schöne Weitsicht auf die Berge des Apennin.

In Bagno di Romano angekommen.

Ein Bild mit Symbolwirkung. 

Morgen habe ich einen Aufstieg von 400 m auf 1.200 m zu meistern und bin dann in meiner vierten italienischen Region: Toskana.