29. Mai 2019

Bei windigen, trüben Wetter ging es heute 16 km nach Montefiascone. Die Wege waren heute fast nur auf verkehrsarmen Landstraßen. Nur kurz vor Montefiascone ging es erwas abenteuerlich durch Büsche und Brennnessel.

Kurz nach 12:00 kam ich bereits am Ziel an.

Es ist ein komisches Gefühl wenn man noch Kraft und Zeit für weitere Strecken hat, aber die Vernunft nein sagt. Meine Frau wird jetzt sicher sagen: "Richard und Vernunft????".  ;))

In einer Pizzeria traf ich dann auch schon den ersten Pilger der Via Francigena. Massimo ist in Florenz gestartet und geht auch nur kurze Strecken, weil er genau das gleiche Problem mit dem Unterschenkel hat wie ich. Es kann also sein, dass wir uns die nächsten Tage öfters sehen.

Nach einer guten Pizza ging ich zum Kloster der Benektinerinnen. Dort wurde mir von einer netten und hilfsbereiten Nonne ein Bett in einem Vierbettzimmer zugewiesen. Welch ein Unterschied zu meinem Erlebnis vor vier Wochen im Kloster Säben.

Beim späteren Stadtbummel wurde ich von einem Gewitter überrascht und flüchtete in eine Bar. Bei der Gelegenheit probierte ich dann auch gleich den Est Est Est. Ein Weißwein aus Montefiascone zu dem es folgende Geschichte gibt:

Der Plälat Fugger war im 12. Jahrhundert auf dem Weg nach Rom. Da er gerne guten Wein trank, schickte er immer seinen Diener vor, der an Gasthöfe, die guten Wein hatten, das Wort Est schrieb.  Est bedeutet soviel wie hier.

In Montefiascone fand er so einen guten Wein, dass er Est Est Est an die Tür schrieb. Der Überlieferung zufolge soll sich der Prälat an dem Wein fast zu Tode getrunken haben.

In meine Unterkunft zurück gekehrt, hatte ich einen Zimmergenossen bekommen. Xavier kommt aus Levignio und ist von dort gestartet und auch nach Rom unterwegs. Er ist sehr lustig und erzählt viel. Es gibt fast keinen Pilgerweg, den er noch nicht gegangen ist.

Wir essen zusammen im Kloster und gehen bald ins Bett. Dort zeigt er sich allerdings von seiner schlechten Seite. Er ist ein Weltmeister unter den Schnarchern. Immer wieder werde ich von den unterschiedlichsten Schnarchgeräuschen geweckt und schlafe die ganze Nacht schlecht. Als er um 5:30 aufbricht komme ich endlich zu etwas Schlaf.

Montefiascone ist in der Ferne zu sehen und liegt natürlich auf einem Berg.

Der rote Mohn bringt etwas Farbe in das graue Wetter.

Nein, ich habe mich nicht verlaufen! Es war der richtige Weg.

30. Mai 2019

Nach einer Nacht mit wenig Schlaf und einem spärlichen italienischen Frühstück machte ich mich auf den Weg nach Viterbo. Die heutigen 19 km ging ich auf der Via Francigena, die hervorragend beschildert ist. 

Bereits nach einigen Kilometern traf ich die erste Pilgerin. Marina kommt aus Russland und ist in Sienna gestartet. Sie geht ziemlich langsam, da sie viele Blasen an den Füßen hat. Sie will heute auch nach Viterbo. 

Nach den schlechten Erfahrungen mit Pilgerherbergen letzte Nacht habe ich in Viterbo ein Hotelzimmer gebucht, das ich um 14:00 erreichte.

Die Wege heute waren herrlich und das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite. Ich hoffe es bleibt die nächsten Tage noch so. 

Noch 106 km bis Rom.

Aufbruch in Montefiascone bei herrlichem Wetter. Blick auf den Lago di Bolsena.

Neben dem Wegzeichen der Via Romea habe ich seit heute auch noch die Hinweisschilder der Via Francigena. Verlaufen ist jetzt fast unmöglich.

Zum Teil ging es heute auf historischen Römerstraßen dahin. Man meint förmlich die Schritte der Legionäre zu hören, wenn sie von ihren Feldzügen nach Rom zurück kehren.

In der Ferne Viterbo. Die erste Stadt seit langem, die nicht auf einem Berg liegt.

31. Mai 2019

Bei strahlendem Sonnenschein ging es heute 21 km nach Vetralla Cura. Auch der zweite Tag auf der Via Francigena hatte schöne Wege, unter anderem durch Olivenhaine, zu bieten. Kurz vor Vetralla sah ich mich plötzlich einigen freilaufenden Hunden ausgesetzt. Einige darunter sahen mich nicht sehr freundlich an und bellten mich sehr aggressiv an. Ich ging ruhig weiter ohne sie zu beachten und sprach ruhig zu ihnen und nach einigen Metern drehten sie um. Das war meine einzige brenzlige Begegnung mit Hunden bisher. In Italien gibt es viele Hunde, doch die meisten sind eingesperrt.

Heute hatte ich keinen Kontakt mit anderen Pilgern.

Noch 85 km bis Rom.

 

Gleich nach Viterbo ging es ca. 2 km durch in den Fels geschlagene Hohlwege. Das heraus geschlagene Material wurde bestimmt zum Bau von Gebäuden verwendet.

Schöne Schotter- und Sandwege durch Olivenhaine.

1. Juni 2019

Das Wetter wird immer besser. Strahlender Sonnenschein und Temperaturen um die 22 Grad sind ideal zum Pilgern.

Heute ging es 21 km nach Sutri. Zur Abwechslung gingen die Genußwege heute durch Haselnussplantagen.

Nach ca. 10 km traf ich Massimo und Marina wieder. Die beiden haben in Botte übernachtet und wollen auch bis Sutri.

Wir gingen gemeinsam und unterhielten uns hervorragend, obwohl jeder von uns eine andere Muttersprache spricht.

Das hat mich schon immer auf dem Jakobsweg faszinierent, dass es keine Rolle spielt aus welchem Land die einzelnen Pilger kommen und man kann sich trotzdem unterhalten. Etwas Englisch, etwas Italienisch, Hände und Füße und schon schon ist die Unterhaltung perfekt.

Kurz vor 14:00 kamen wir in Sutri an. Ich hatte eine Ferienwohnung gebucht in der ich mir was kochen will und heute Abend in Ruhe das Finale der Champions League anschauen will.

Die anderen beiden gingen in die Pilgerherberge in einem Kloster. Wir werden uns die nächsten Tage bestimmt wieder sehen.

Noch 64 km bis Rom.

 

Genußwege durch Haselnussplantagen.

Marina aus Weißrussland und Massimo aus Florenz.

Durch die engen Gassen von Capranica in Richtung Sutri.

Die letzten Kilometer vor Sutri führten durch einen schönen Wald immer an einem Bach entlang. Marina auf einer provisorischen Brücke.

2. Juni 2019

In Italien ist heute ein Feiertag. Der Tag der Republik. Auf den Straßen waren heute viele Fußgänger und Radfahrer unterwegs. In einem Park bei Mazzano Romano saßen viele Gruppen von Personen und feierten. Überall rauchten Grills und spielte Musik. Man bekam richtig Lust sich dazu zu setzen und mit zu feiern.

Heute lief ich wieder  auf schönen Wegen 25 km nach Campagno di Roma bei strahlendem Sonnenschein.

Kurz nach Sutri hatte ich eine große Gruppe von Pilgern überholt. Alle in gelben Shirts und mit kleinem Rucksack. Massimo hat mir später erzählt, dass sie auch nach Rom gehen und ihr Gepäck von Begleitfahrzeugen transportieren  lassen.

Im Ort Monterosi traf ich Massimo und Marina wieder. Marina wollte in einer Bar einen Kaffee trinken und so liefen Massimo und ich alleine weiter. Wir führten wieder interessante Gespräche und haben bereits ein Treffen in Rom organisiert.

Um 14:30 erreichten wir Campagno und verabredeten uns für morgen für unsere vorletzte Etappe.

So ganz nebenbei habe ich heute meinen 1.000 km zu Fuß geschafft.

Noch 41 km bis Rom.

Schöne Wege und schönes Wetter. Ganz hinten im Weg sind Massimo und Marina zu erkennen, die ich bald einholen werde.

Campagno di Roma ist erreicht. Noch ein kurzer Anstieg dann gibt es ein kühles Radler in der Bar.

Kaum 1.000 km gelaufen und schon durch! ;))

3. Juni 2019

Heute ist es endlich passiert. Über 1.000 km musste ich laufen, damit es 25 km vor Rom endlich wahr wird. Als es neben mir in den Büschen raschelt, denke ich, dass ich ein Reh aufgeschreckt habe. Da steht doch plötzlich tatsächlich ein Wildschwein ca. 5 m vor mir mitten auf dem Weg. Ein Überläufer (Jägersprache für Jährling). Wir sehen uns beide ziemlich verdutzt an. Ich weiß nicht wer mehr erschrocken ist. Sie läuft noch etwas auf dem Weg entlang und verschwindet dann wieder in den Büschen. Ich konnte gerade noch schnell ein Foto machen.

Ansonsten waren die 22 km nach La Storta weniger aufregend. Schöne, abwechslungsreiche Wege bei strahlendem Sonnenschein und leichten, kühlenden Wind. So macht Pilgern Spaß.

Unterwegs habe ich Marina und zwei weitere Pilgerinen getroffen, mit denen ich allerdings nicht sprechen konnte, weil ich gerade in einer Bar was getrunken habe.

Morgen geht es nach Rom. Irgendwie kann ich es noch gar nicht glauben. Hoffentlich kann ich heute Nacht schlafen.

Noch 19 km bis Rom.

Irgendwo hinter diesen Hügeln liegt Rom.

Immer wieder Wegsteine mit Kilometerangaben.

Das Überläuferchen, bevor es wieder in die Büsche verschwindet. 

Schöne Wege, die aber auch die Gefahr bergen, sich kurz vor dem Ziel noch den Fuß zu verknacksen. 

4. Juni 2019

Wie befürchtet habe ich schlecht geschlafen und von Wegen geträumt, die immer im Kreis verlaufen.

Um 6:00 bin ich dann durch Straßen voller Müll und dem Berufsverkehr von Rom losgezogen. Zunächst an der Hauptstraße entlang und dann plötzlich durch ein grünes Tal und nasses Gras. 

Im ersten Stadtteil von Rom angekommen befürchtete ich schlimmes für den weiteren Weg. Viele Autos in engen Gassen und Müll und Lärm. Doch dann kam ein schöner Radweg, der mich durch ruhige Wohngebiete bis fast zum Petersplatz brachte. 

Dort angekommen erschrak ich vor den Menschenmassen. Die meisten standen in langen Schlangen an den Sicherheitskontrollen zum Petersdom an.

Nach ein paar Fotos ging ich über die Engelsbrücke zum deutschen Pilgerzentrum und holte meine bestellten Karten für die Generalaudienz des Papstes ab. Als Fußpilger habe ich Sonderkarten bekommen.

Da ich erst um 15:00 in die Pilgerherberge konnte, ging ich etwas essen und habe mir ein paar Bierchen gegönnt.

In der Herberge, in der man zwei Nächte umsonst übernachten kann, traf ich auch Massimo und Marina wieder.

Die Herberge wird von Freiwilligen betreut, darunter auch eine Frau aus Finnland. Finanziert wird die Herberge durch Spenden.

Heute Abend ist ein gemeinsames Essen und zuvor findet eine Fußwaschung für die neu angekommenen Pilger statt.

 

 

Italien hat ein großes Müllproblem. So wie hier sah es fast alle hundert Meter aus. Die Haushalte haben keine eigene Mülltonne. Der Müll wird zu solchen öffentlichen Sammelstellen gebracht. Dort sollte dann auch die Mülltrennung erfolgen, an die sich aber keiner hält. Wenn die öffentlichen Tonnen voll sind, wird der Müll einfach daneben abgestellt. Tiere und der Wind verteilen dann alles über die Straße. Ich musste heute einige Male vom Gehsteig auf die Straße wechseln, weil der Weg durch Müll nicht passierbar war.

Italien hat auch kein Pfandsystem für Getränkeflaschen. Wenn man in einer Bar ein Bier bestellt, dann wird es in einer Glasflasche serviert, die anschließend im Mülleimer landet.

Mein treuer, kleiner Begleiter sagt es sind keine 10 km mehr. Ohne dieses Gerät hätte ich mich oft verlaufen oder keine Wege um Schlammlöcher herum gefunden.

Eine Vorortstraße von Rom. Einfach nur schrecklich!

Gott sei Dank kam dann ein ruhiger Radweg ,der mich bis 2 km vor dem Petersplatz brachte.

Geschafft. 

Der Platz ist so leer, weil er wegen der Bestuhlung für die morgige Audienz bereits gesperrt ist.